Tages-Anzeiger vom 24. März 2025

Erster SP-Mitfavorit sagt: «Ich will»

Von Patrice Siegrist. Link zum Artikel (benötigt ein Abo).

Zürcher Stadtratswahlen 2026 – Wurde über die Nachfolge von Corine Mauch und André Odermatt spekuliert, fiel oft sein Name. Jetzt macht Tobias Langenegger seine Ambitionen offiziell.

In Zürich gibt es eine ungeschriebene Regel bei den Lokalwahlen: Für SP-Mitglieder ist die Nomination fürs Stadtratsticket schwieriger als die eigentliche Wahl. Wer in den letzten Jahrzehnten von der Partei nominiert wurde, wurde auch immer gewählt.

Weil mit Corine Mauch und André Odermatt gleich zwei SPStadtratsmitglieder abtreten, wird der parteiinterne Wettbewerb für die Erneuerungswahlen am 8. März 2026 entsprechend spannend. Jetzt macht Tobias Langenegger als erstes SP-Mitglied seine Ambitionen offiziell und sagt: «Ich will Stadtrat werden.»

Bekannt als linker Finanzpolitiker

Der 39-Jährige sitzt seit 2015 im Kantonsrat, seit 2022 ist er Co-Präsident der SP-Fraktion. Er gilt als dezidiert linker Finanzpolitiker, der aber über Parteigrenzen hinweg respektiert wird. Und er ist einer der Köpfe hinter der kantonalen Wohninitiative, die den Gemeinden Vorkaufsrechte gewähren soll.

Dass Langenegger kandidieren möchte, ist keine Überraschung. Sein Name fällt beinahe immer, wenn es um eine mögliche Nachfolge für SP-Regierungsämter im Kanton oder in der Stadt Zürich geht. Warum nun also die Stadt und nicht der Kanton? Langenegger hat Lust auf «Vorwärtspolitisieren», wie er es nennt. Das heisst für den Sozialdemokraten: Gestalten mit progressiven Mehrheiten in der Stadt, anstatt Schadensbegrenzung gegen oftmals bürgerliche Mehrheiten im Kanton zu üben.

«Zürich soll Vorbild sein, etwa bei den Rechten für Sans-Papiers, bei der Solaroffensive, der Stadt der kurzen Wege, aber vor allem auch in der Wohnpolitik.» Zürich sei reich, privilegiert und könne anderen Städten aufzeigen, was innerhalb kantonaler und nationaler Gesetze möglich sein könne. Diese Grenzen kenne er aufgrund seines Kantonsratsamts gut, sie auszuloten, reize ihn. Oberste Priorität habe für ihn, die Verdrängung zu stoppen. Er wolle ein «Zürich für alle» und die negativen Folgen der boomenden Stadt eindämmen. Eine Kritik an den amtierenden SP-Stadtratsmitgliedern? So weit will er nicht gehen. Zürich habe («dank 25 Jahren rot-grüner Politik») einen erfolgreichen Wandel vollzogen.

Doch mittlerweile seien auch negative Folgen zu sehen, weil die Stadt so attraktiv sei. Er sehe das täglich aus seinem Wohnungsfenster. «Ich lebe in einer Genossenschaft, die in den Neunzigerjahren während der Immobilienkrise das Land günstig in Zürich-West kaufen konnte. Als ich vor 18 Jahren in meine Wohnung einzog, habe ich noch die Berge und den See gesehen. Heute sehe ich nicht mal mehr den Prime Tower. Doch die Immobiliengesellschaften haben oft nur Luxuswohnungen gebaut, der Mittelstand kann sich diese Mieten nicht leisten.» Nun sei es Zeit, dass Zürich weniger auf die Investoren und wieder mehr auf die Menschen achte, sagt er.

Die Liste der SP-Mitglieder, welche die Nachfolge von Stadtpräsidentin Mauch und Hochbauvorsteher Odermatt in Betracht ziehen, ist lang. Und der Anspruch an ein diverses Ticket dürfte gross sein. Jüngst hat sich Mandy Abou Shoak aus der Deckung gewagt. Die SP-Kantonsrätin mit Wurzeln im Sudan liebäugelt damit, den aktuellen Sozialvorsteher Raphael Golta, der Stadtpräsidiumsambitionen hat, herauszufordern. Auf Linkedin schrieb sie: «Corine Mauch tritt ab. Zürich braucht eine neue Stadtpräsidentin – und zwar eine mit Strahlkraft. Was meinst du: Soll ich? Ziehst du mit?» Entschieden hat sich Abou Shoak allerdings noch nicht, wie sie auf Anfrage sagt.

Tobias Langenegger, der selber nicht für das Präsidium kandidieren möchte, findet diese Diskussionen wichtig und richtig. Er wünsche sich ein vielfältiges Bewerberfeld. «Diversität ist ein sehr wichtiges Thema, um das wir uns vermehrt kümmern müssen». Er freue sich auf die interne Ausmarchung. «Die SP hat zum Glück viele tolle Leute, die sich aktuell eine Kandidatur überlegen», sagt er. Offizielle Bewerbungen sind bei der Stadtzürcher SP noch keine eingegangen. Die Frist endet am 20. April, im Juni nominieren die Delegierten.Auch Langeneggers Schreiben ist noch im Entwurfsstatus. Seine Ankündigung bringt nun aber Bewegung in den SP-Vorwahlkampf.

Noch offen, wer für die FDP kommt

Bei anderen Parteien sind schon Entscheide gefallen. Die beiden Grünen Stadtratsmitglieder kandidieren erneut. Daniel Leupi möchte weiter den Finanzen und Karin Rykart der Polizei vorstehen. Ob die Grünen noch eine weitere Kandidatur lancieren, ist noch offen. Bei den Grünliberalen tritt Gesundheits- und Umweltvorsteher Andreas Hauri wieder an. Einen zweiten Sitz für die GLP soll Serap Kahriman ergattern. Die SVP wird wohl mit Co-Präsident Ueli Bamert antreten, muss ihn aber noch offiziell nominieren.

Die FDP will den frei werdenden Sitz von Filippo Leutenegger verteidigen. Wer an der Seite von Michael Baumer, dem Vorsteher der Industriellen Betriebe, in den Wahlkampf steigen wird, ist allerdings noch unklar. Die FDP strebt ein Dreierticket mitsamt einer Präsidiumskandidatur an.