Tages-Anzeiger vom 22. November 2022
Kantonsrat will Massnahmen gegen die Gentrifizierung in Zürich
Von Hélène Arnet. Link zum Artikel (benötigt ein Abo).
Die Landpreise gehen im Kanton Zürich durch die Decke, was sich negativ auf den gemeinnützigen Wohnungsbau auswirkt. Das soll sich ändern, findet der Kantonsrat.
Die Landpreise in der Stadt Zürich haben sich in den letzten sieben Jahren verdoppelt. Das erschwert günstiges Bauen generell, hat aber auch den Effekt, dass immer weniger Wohnungen subventioniert werden können.
Der Kanton Zürich gewährt bei Neubauten oder grossen Sanierungen nämlich zinslose Darlehen, wenn dort günstige Wohnungen entstehen. Das ist in der kantonalen Wohnbauförderungsverordnung (WBFV) geregelt. Diese koppelt den Zugang zu Subventionen aber an den Landpreis: Dieser darf lediglich knapp zwanzig Prozent der Gesamtkosten eines Neubauprojekts betragen. Wenn also der Landpreis steigt, erfüllen immer weniger Neubauten diese Bedingung. Die WBFV verliert ihre Wirkung.
Soziale Durchmischung gefährdet
Der Stadtzürcher SP-Kantonsrat Tobias Langenegger hat deshalb ein Postulat eingereicht mit dem Ziel, dass die Verordnung angepasst wird. Sie soll weiterhin den gemeinnützigen Wohnungsbau stärken. Auch soll die neue Regelung berücksichtigen, dass nachhaltiges Bauen teurer ist. Mehrkosten für CO2-Reduktion werden derzeit nur für Minergie- und Minergieplus-zertifizierte Bauten anerkannt.
«Für eine gute Durchmischung eines Wohnquartiers ist es ein zentrales Element, dass auch günstige Wohnungen angeboten werden», sagte Langenegger am Montag im Kantonsrat. Seine Kollegin von den Grünen, L’Orange Seigo (Zürich), führte den Gedanken weiter: «Der freie Wohnungsmarkt führt zu einer sozialen Entmischung und vertreibt Menschen mit geringem Einkommen aus der Stadt.»
Wer subventionierte Wohnungen mieten darf, ist gemäss der WBFV an klare Vorgaben gebunden – etwa was Einkommen und Haushaltsgrösse betrifft. Langenegger schlägt nun vor, dass der Kanton die Höhe der Darlehen anhebt und die Rückzahlzeit verlängert. Auch soll der Anteil des Landpreises am Gesamtpreis angehoben werden. Die AL wandte zwar ein, man laufe damit Gefahr, dass die Wohnungspreise anstiegen. Sie sicherte der SP aber trotzdem ihre Unterstützung für den Vorstoss zu.
Ungleiche Spiesse moniert
Kein Verständnis für das Anliegen zeigten die Bürgerlichen, obwohl die FDP-Regierungsrätin Carmen Walker Späh sich von Anfang an bereit erklärt hatte, das Postulat entgegenzunehmen. Die SVP sprach sich gegen eine neue Regulierung im Wohnungsmarkt aus. «Wohnungsbau ist keine Staatsaufgabe», fand Christoph Marty (Zürich).
Wenn man von politischer Seite etwas unternehmen wolle, um den Wohnungsbau zu fördern und die steigenden Kosten zu bremsen, wäre es laut FDP-Kantonsrat Martin Farner (Stammheim) gescheiter, die immer komplexeren Bewilligungsverfahren zu vereinfachen.
Er verlangte – auch im Namen des Kantonalzürcher Hauseigentümerverbands – gleich lange Spiesse bei der Wohnbauförderung. Mit dem Vorstoss werde lediglich der gemeinnützige Wohnungsbau gefördert. «Die Privaten bleiben einmal mehr auf der Strecke.»
Langenegger konterte, dass es sehr erwünscht wäre, wenn etwa der Hauseigentümerverband seine Mitglieder dazu motivieren würde, subventionierte Wohnungen zu bauen. «Auch Private erhalten vom Kanton Darlehen, wenn sie günstigen Wohnraum anbieten.»
Weitere Umweltlabels
Die GLP stellte sich auf die Seite der SP. Sie verlangte zudem, dass weitere Labels und Standards, die eine CO2-Reduktion zum Ziel haben, berücksichtigt werden. Auch sei es wichtig, dass in zentrumsnahen Gebieten verdichtet gebaut werde und eine gute soziale Durchmischung bestehe.
Unterstützung bekam die SP mit ihrem Vorstoss auch von der EVP: Ein höherer Anteil an bezahlbarem Wohnbau habe auch einen dämpfenden Effekt auf die anderen Preise auf dem Wohnungsmarkt, ist Daniel Sommer (Affoltern am Albis) überzeugt.
Das Postulat wurde schliesslich mit 92 zu 76 Stimmen überwiesen. Der Regierungsrat hat nun zwei Jahre Zeit, um einen Bericht und Antrag dazu auszuarbeiten.